Schreiben-Reisen-Lebensbilder
… oder was ein Theaterstück mit Riechsalz zu tun hat.
Die Salzburger Festspiele 2022 sind vorbei.
Mein Techniker besteht auf mindestens einen Festspielbesuch pro Saison. Ich nicht unbedingt.
Außer es werden tolle Opern oder gehör- und harmoniefreundliche Konzerte geboten. Dann bin ich gerne dabei. Die Kartenpreise sind nicht ohne, also möchte ich dafür mit kulturellem Genuss belohnt werden.
In Salzburg Stadt war nichts mehr zu ergattern, nur für eine Aufführung auf der Pernerinsel, einem weiteren Veranstaltungsort gab es noch Karten.
Iphigenia- frei nach Goethes Iphigenie auf Tauris. Es war nicht das erste Mal, dass wir uns eine Aufführung in der ehemaligen Saline ansahen. Und das war auch schon der Haken. Diese Aufführungen fielen stets nach dem „neuesten Setting“ aus und die Inszenierungen hatten mit den ursprünglichen Inhalten kaum etwas zu tun. Also sagte ich: „Bist Du sicher?“
Er sagte: „Ja, das schauen wir uns an“.
Der Abend kam. An den maskierten Ferialpraktikanten der Salzburger Festspiele vorbei gönnten wir uns erst ein Gläschen Pro Secco im Innenhof der Saline. Plötzlich einsetzender Regen ließ uns leider allzu schnell zu den reservierten Plätzen im Saal flüchten. Beim Hinsetzen fiel mir das puristische Bühnenbild ins Auge, gepaart mit einem unangenehmen Geruch, der allerdings nicht von dort kam. Das Oeuvre kam von rechts. Abhängig davon, ob sich mein Sitznachbar mehr oder weniger bewegte. Schweiß pur, aber nicht frisch, sondern antik inklusive älterer Textilien, welche wie sein junger Träger leicht verwahrlost wirkten. Ich wandte mich ab und schaute nach, wie lange ich in diese Duftwolke eingehüllt sein würde. Zweieinhalb Stunden ohne Pause. Na toll! Ich informierte meinen Mann über das olfaktorische Desaster. Reaktion: Schulterzucken.
Das Stück begann und wie neuerdings üblich, betraten halb nackte Menschen die karge Bühne. Vor einem Flügel saß Iphigenia und klimperte lustlos darauf herum. Exakt zwei Töne in immer wiederkehrender Reihenfolge und das über Minuten. Ansonsten tat sich lange nichts. Nach schier endlos scheinenden Minuten kamen Eltern, Onkel und Tanten hinzu, wobei mir eine Tante auffiel, welche permanent die Beine in Richtung Männer breitmachte und sich neben ihren Textpassagen abenteuerlichen eindeutig erotischer Verrenkungen hingab.
Iphigenia war als Klavier-Virtuosin inszeniert. Sie war das aber nur geworden, weil sie als Kind Opfer sexueller Übergriffe seitens ihres Onkels Menelaos geworden war, was wiederum zu einer heftigen MeToo-Debatte zwischen Eltern, Onkeln und sexsüchtiger Tante führte. (Wenn sich die Tante nicht gerade rekelte). Dies wiederum erregte meinen Sitznachbarn und dieser begann nervös auf seinem Stuhl herumzuwetzen, was ihn noch heftiger ausdünsten ließ. Zufälligerweise hatte ich meinen Fächer dabei. Die Rettung. Die kommenden Stunden hielt ich damit äußerst dezent die schlechte Luft von meiner Nase fern. Dezent wegen meines grenzenlosen Verständnisses hinsichtlich „Diversität“.
Vor dem letzten Akt durfte das geneigte Publikum mitverfolgen, wie das Bühnenbild in einen Meeresstrand verwandelt wurde und am Ende brannte der Flügel. Iphigenie hatte entschieden, das Klavierspiel endgültig aufzugeben. Nicht ohne sich vorher lautstark die Finger zu brechen. Die durch die Lautsprecher verstärkten Knackgeräusche waren nicht zu überhören und holten selbst mich aus der Lethargie.
Wobei; schauspielerisch war die Leistung exzellent. (Ensemble des Hamburger Thalia Theaters). Für das „gegenwärtige Setting“ konnten sie nichts.
Dann war es vorbei. Als wir den Saal verließen, hörte ich einen Besucher den anderen fragen: „Na, wie hat es dir gefallen?“ „Äh, ich bin froh, dass ich draußen bin“ war seine Antwort. Ich auch, dachte ich. Dem Techniker hat es irgendwie gefallen. Irgendwie.
Die Salzburger Nachrichten titulierten ihren Kulturartikel dazu folgendermaßen: Traumadichte lässt sich nicht regulieren.
Ich glaube doch. Und zwar indem ich derartige Inszenierungen künftig meide und bei Menschenansammlungen immer etwas Riechsalz mitführe. Angesichts der kommenden Zeiten ohnehin keine so schlechte Idee, oder? 😉
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Beitragsbild: Pexels
😉
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hahaha – manchmal kann ich wohl froh sein, dass ich wegen meines superschlechten Gehörs alle solche Veranstaltungen meide. Da spare ich viel Geld und schone zusätzlich noch mein Riechorgan.
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Das hoffentlich nicht nächste Mal 😜…
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Was für ein Abend! Wollte der Techniker sich nicht neben den jungen Kerl setzen? Dann hätte er sicher nicht mehr mit den Schultern gezuckt. 😄
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