Sonntagsgeschichte

Heute nach langer Pause wieder einmal eine Sonntagsgeschichte aus vergangener Zeit und die Frage: Habt auch ihr jemals Auto gestoppt?

Nur mit Brummi

Fröstelnd und mit ausgestrecktem Daumen stehe ich am Straßenrand und halte nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau. Es ist feucht und dunkel. Feiner Nieselregen verstärkt das Kältegefühl. Ich warte auf meine Chance. Kein guter Tag für Autostopp. Vor allem, wenn man wie ich nur mit Brummis fährt. Heute lässt sich kaum einer auf der schmalen Bundesstraße dieses trostlosen Städtchens mit seinen betagten Häusern, von deren Mauern der Verputz abblättert, sehen.

Ich vertraue Brummis. Sie scheinen mir sicherer. Die Fahrer von PKWs sind launenhaft und ich habe in den Karossen böse Überraschungen erlebt. Obwohl, es gibt Ausnahmen. Einmal geriet ich mit einer Freundin an zwei Italiener mit schickem Sportwagen. Sie hielten mit quietschenden Reifen an, was vermutlich an der strohblonden Mähne meiner Begleiterin lag. Fluchs luden sie ihr Gepäck um und komplimentierten uns in den engen Fond. Ein Gefühl, wie Sardinen in der Dose. Aber das war egal, denn die beiden waren witzig und charmant und machten uns nicht an. Einfach zwei nette Jungs.

Heute, allein und frustriert am Straßenrand, vermisse ich Gelegenheiten wie diese. Zu allem Überfluss nehmen Regen und Kälte zu. Dann endlich blenden mich große Scheinwerfer und ich höre den satten Sound eines Diesels. Er klingt wie Musik in meinen Ohren. Der Lastwagen hält an. Erleichtert öffne ich die Tür des Führerhauses. Ein freundliches Gesicht lächelt mir entgegen. „Nehmen sie mich bitte bis zur nächsten Bushaltestelle mit?“ Der Fahrer nickt, ich steige ein. Das macht diesmal Mühe, denn das Trittbrett ist extrem hoch.

Halt suchend klammere ich mich an das Ablagefach der Tür. Es ist gefüllt mit Papieren und Kram. Ein unangenehmes Knacken ist die Folge. Ich ignoriere es. Dann knackt es wieder. Diesmal lauter. Die Ablage reißt ein, das Fach ist zerstört! Erschrocken über meine Unachtsamkeit, springe ich zurück auf die Straße. „Es tut mir leid“, rufe ich verzagt und zeige auf das Malheur. Der Mann zuckt mit den Schultern und meint nur: „Steig endlich ein, ich habe nicht endlos Zeit“. Es ist mir unendlich peinlich, aber es kommt noch schlimmer. In einem Anfall von Schwachsinn greife ich abermals nach der Halterung und reiße die gesamte Ablage ab. Das Teil kracht samt Inhalt auf den nassen Asphalt. Wie blöd kann man sein? Was wird der Fahrer sagen? Aber der sagt kein Wort.

Schnell raffe ich Papiere und Ablage zusammen und klettere mit rotem Kopf auf den Beifahrersitz. Der Mann nimmt mir den nassen Kram ab und verstaut ihn hinter dem Sitz. Die Fahrt verläuft schweigend. Ich fühle mich wie ein Häufchen Elend. Am Ziel angekommen, springe ich ein paar Entschuldigungen stammelnd aus dem Wagen. Der Fahrer lächelt und sagt: „Mach’s beim nächsten Mal besser“.

Deshalb blieb ich dabei; nur mit Brummi.

© LoPadi 2023-08-05


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4 Comments on “Sonntagsgeschichte

  1. Eine nette Geschichte! Ich habe halb Europa durchtrampt, denn als ich jung war, hatten die wenigsten Menschen Autos und die BahnCard, mit der dann die nächste Generation durch Europa reiste, lag noch in weiter Ferne. Wer jung war und kein Geld hatte, reiste per Anhalter, aber als Mädchen allein war das natürlich nicht ohne Risiko. Viele Geschichten könnte ich erzählen. Wirklich Schlimmes ist mir aber nicht passiert.

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