Sonntagsgeschichte #10

Nach der letzten Buchveröffentlichung habe ich wieder Zeit für weitere Kurzgeschichten, welche ich vorab auf der Online-Plattform story one veröffentliche. Hier auf meinem Blog werden sie zu „Sonntagsgeschichten”

Kennt jemand von Euch story one, oder hat schon einmal dort veröffentlicht? Von einer Bloggerkollegin weiß ich es. Ich halte diese Plattform für eine gute Gelegenheit, Autoren zu einer Buchveröffentlichung zu verhelfen. Der Erstellungsprozess ist unkompliziert und logisch aufgebaut. Einige Autoren sind recht erfolgreich mit ihren Kurzgeschichten (Max. 2500 Zeichen und 17 Storys, je Büchlein sind möglich). Natürlich muss man Eigenmarketing betreiben, um seine Werk bekannt zu machen. Der Verlag unterstützt die Autoren mit Posts in den den sozialen Medien.

Und hier ist meine Sonntagsgeschichte Nr.10.

Schönen Sonntag.🙂

Krebsenessen

Sie fielen ein. Laut schnatternd, mit ausgebreiteten Armen und kussbereiten Lippen begrüßten sie einander. Herzend und scherzend. Eine weiß gedeckte Tafel blumengeschmückt- ließ ein besonderes Ereignis vermuten. Die Gäste allesamt jenseits der 60- schienen einander vertraut. Dem Anlass gemäß war man festlich gekleidet. Einige vom Wohlstand überreichlich beschenkte Damen gefielen sich in viel zu engen Dirndlkleidern und hatten Mühe zu atmen. Die Männer gaben sich ordentlich in Hemd und Sakko. Trotz drückender Schwüle trugen einige Krawatten. Ihre viel zu langen Hosen stauten sich zieharmonikaförmig auf den Schuhen. Wie so oft bei den Männern.

Unwillkürlich gerieten meine Freundin und ich in die Beobachterrolle, denn außer dieser Gesellschaft und dem Personal waren wir die einzigen Gäste. Wir tauschten Blicke, dachten wohl dasselbe, schmunzelten und schwiegen. Mal sehen, was uns noch geboten werden würde.

Eine spindeldürre Dame, deren Hosenboden ungefüllt vor sich hin schlotterte, wuselte nervös rund um die akkurat gedeckte Tafel. Sie verteilte weiße Lätzchen auf den Stuhllehnen. Vermutlich stand ein Hummer- oder Krebsenessen bevor. Mehrmals machte sie die Runde-, zupfte an den Servietten und legte die Lätzchen mit aufgedrucktem Hummer mal hier, mal dorthin. Um ankommende Gäste kümmerte sie sich kaum. Keine Zeit, denn die Tischdekoration nahm sie vollkommen in Anspruch; mit ihren dünnen Fingerchen kramte sie Tischkärtchen aus der Handtasche. Diese platzierte sie akkurat mittig zum Platzteller.

Ein rundlicher, kleiner Mann näherte sich ihr. Vorsichtig, beinahe ängstlich. Verstohlen flüsterte er ihr eine Botschaft ins Ohr. Was sie hörte, schien ihr nicht zu gefallen. Ihr Körper straffte sich und sie schnellte hoch. Der Überbringer der Botschaft wich erschrocken zurück. Eine grellbunt geschminkte und ebenso gekleidete Blondine löste sich aus der Menge und kam auf die beiden zu. Der Mann verließ fluchtartig die Szene. Die Spindeldürre sah die Grellbunte fragend an. Dramatisch gestikulierend teilte ihr diese mit, dass sie mit dem ihr zugewiesenen Platz nicht einverstanden sei.

Eine Katastrophe, denn dadurch drohte die Planung der Organisatorin völlig durcheinanderzugeraten. Immer mehr Gäste kamen und beschwerten sich über die Sitzordnung. Würde die Spindeldürre nun das Handtuch oder gar die Lätzchen werfen? Mit sauertöpfischer Mine überblickte sie den Tisch und überlegte. Dann kapitulierte sie. Sichtlich frustriert, sammelte sie die Kärtchen wieder ein. Nun schienen alle zufrieden und bald saß jeder auf seinem selbst gewählten Platz. Die Stimmung war prächtig. Bis auf ein paar störrische Männer legten nun alle ihre Lätzchen an. Die Szene wirkte ein wenig grotesk. So, als würden Riesenbabys auf ihren Brei warten. Gerne hätten wir gewusst, wie es weiterging, aber wir mussten nach Hause.

Als wir uns erhoben, ging ein „Ah“ und „Oh“ durch den Saal. Die Krebse wurden serviert …

© LoPadi 2021-08-28

One Comment on “Sonntagsgeschichte #10

  1. Großartig! Gut beobachtet und mit feinem Humor beschrieben. War es so? Es könnte so gewesen sein, also spielt es keine Rolle. Ich bin sicher, jeder kennt Elemente dieser Geschichte aus seiner eigenen Erfahrung.

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