Schreiben-Reisen-Lebensbilder
17 Tage segeln wir nun schon durch die grandiose kroatische Inselwelt. Bisher war lediglich die Hitze ein Problem. Aber das auch nicht wirklich, denn das Meer steht ja jederzeit als Abkühlung zur Verfügung. Dennoch hat uns die viele Sonne und das Dolce Vita möglicherweise etwas dumb im Kopfe werden lassen. Kann ja vorkommen. Sollte es beim Segeln aber nicht.
Donnerstag 8. Juli auf dem Weg nach IST, einer hübschen Insel nördlich von Zadar. Ich freue mich jedesmal darauf, denn ich habe einem liebenswerten Bewohner vor Jahren eine Kurzgeschichte gewidmet. Wir werden ihm und seinem Lokal einen Besuch abstatten.
Bei herrlichen NE-Winden kreuzen wir dem Ziel entgegen. Laut Wetterbericht Split droht keine Gefahr. Glauben wir. Es handelt sich dabei leider um einen fatalen Irrtum, wie sich später noch herausstellen sollte.
Durch das Aufkreuzen wird die Zeit knapp und damit reift die Erkenntnis, das wir IST bei Tageslicht nicht schaffen werden. Stattdessen wählen wir eine bewährte Bucht im Norden DUGI OTOKS, welche auch bei starker Bora immer sicher war. Die ii prognostizierten 20-25 Knoten sind bei dem hervorragenden Ankergrund kein Problem.
Um 17:30 fällt der Anker und wir essen zu Abend. Gekocht habe ich unterwegs. Nach dem Aufräumen schwimme ich eine Runde und danach staunen wir gemeinsam über das spektakuläre Abendrot am Horizont. Wir sollten bald noch mehr staunen ..
Unmerklich nimmt der Wind zu. Vom Norden ziehen düstere Wolken auf. Im Westen auf italienischer Seite erhellen Blitze die düstere Stimmung und plötzlich sind sie da. Orkanartige Böen aus Nordost. Windstärke 11- 59 Knoten. „Mehr als 100 km/h!“ meldet mein Kapitän von seinem Navigationsplatz aus.
Wie das? Der Seewetterbericht Split hat doch nichts dergleichen erwähnt? Wir konsultieren die Wetterapp von Windy. Die zeigt stur 25 bis 30 Knoten an. Wir sind ein wenig ratlos, aber ich ahne nichts gutes.
Inzwischen fliegt am Heck des Schiffes das Beiboot an der langen Leine und dreht sich wie ein Derwisch um die eigene Achse. Wir holen es ein. Ein anstrengender Job bei diesen Windgeschwindigkeiten.
Nun heißt es abwarten. Inzwischen ist es zu dunkel geworden, um noch den Ankerplatz zu wechseln. Die Inselwelt Kroatiens ist voller Untiefen und so verlassen wir uns auf den Ankergrund und unser starkes Ankergeschirr. Der Kapitän bringt zusätzlich eine Ankerkralle aus, um den Zug auf die Kette abzufedern.
Das Tau der Kralle reißt nach fünf Minuten mit einem lauten Knall, aber der Anker hält. Bis Mitternacht fallen die orkanartigen Böen ein und wir verbringen bange Stunden der Ankerwache. Das Schiff bockt in den unaufhörlich heranrollenden Wellen und treibt an der Kette hin und her. Doch die Peilung steht.
Gegen ein Uhr Nachts pendelt sich der Sturm bei Windstärke sieben ein und wir versuchen etwas zu schlafen. Um fünf Uhr morgens checke ich den Seewetterbericht Split. Es gibt noch keinen Aktuellen. Aber den von gestern. Und nun sehe ich, dass exakt vorausgesagt wurde, was eingetreten ist. Da der Seewetterbericht relativ spät aktualisiert wird, sind wir von der Prognose des Vortrages und damit von einem Irrtum ausgegangen. Ich prüfe noch die restlichen Vorhersagen und beschließe den Kapitän zu wecken.
Wir müssen reden …
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