Schmerzensgeld

… oder Rechnen müsste man können.

50 – 28 = 42
Nicht?
Für manche schon. Das beweise ich am Ende dieser Ausflugsgeschichte.
Meine Tochter und ich verbringen von Zeit zu Zeit „Muto-Tage“ beziehungsweise „Muto-Wochenenden“. Manchmal gibt es einen Anlass, oft geschieht es spontan.
Vor zwei Wochen war es wieder so weit. Diesmal stand München auf dem Programm.
Es war mein Wunsch, denn ich bin ein glühender Fan dieser Stadt.

In München ist alles locker, entspannt und das Flair der kleinen aber feinen Metropole nimmt mich ein, sobald ich die sündteure Operngarage verlasse. Auch diesmal gönnten wir uns diesen Luxus, denn die Garage befindet sich mitten in der Stadt, unmittelbar neben der Oper, nächst der mondänen Maximilianstraße, unweit der belebten Theatinerstraße mit ihren fünf Höfen und fußläufig zum Marienplatz neben dem berühmten Viktualienmarkt. Praktisch geht vor Geiz.

Das Wetter war herrlich, das Weißwurstfrühstück beim Spöckmeier köstlich und der Spaziergang am Markt bei vorfrühlingshaften Temperaturen und strahlendem Sonnenschein besonders angenehm. An den Weißwurst- und Stelzenbuden standen die Menschen Schlange. Vor der Rischart-Dachterrasse über der Metzgerzeile ebenso. Also flanierten wir zurück in die Theatinerstraße und suchten dort nach einem Plätzchen in der Sonne. Gar nicht so einfach, denn an diesem Samstag bei Kaiserwetter war die Stadt proppenvoll. Dennoch hatten wir Glück und fanden zwei freie Stühle vor dem Maelu, einer Konditorei mit feinen Süßspeisen.

Danach flanierten wir durch die Geschäfte der Maximilianstraße, nur um uns lange Zähne zu holen. Die Luxusmeile strotzte vor ebensolchen Karossen und wenn man diese Straße isoliert betrachtet, hat man das Gefühl, in Bayern gäb’s kein morgen. Plötzlich stöckelte ein baumlanger junger Mann in türkisem Flitter und gleichfarbigen, mörderischen High Heels im Rückwärtsgang auf uns zu. Vermutlich ein Blogger, denn er wurde von einem anderen jungen Mann mit der Handykamera gefilmt. Wir beschlossen ihm die Aufmerksamkeit zu verweigern und taten so, als hätten wir ihn gar nicht bemerkt.

Im ewigen In-Lokal, dem Brenner, ergatterten wir die letzten Sitzplätze. Der Drink war teuer, aber mittelmäßig. Auch hier Warteschlangen. Feine Damen in High Fashion kauerten über Miniaturtischen und schlürften mit gekrümmtem Rücken mühsam ihr Süppchen. Was tut man nicht alles … wir wechselten zur Freude der Wartenden das Lokal, um den Tag mit einem Aperol Spritz bei Schuhmanns am Hofgarten zu beenden. Leider tut sich der First Barkeeper der Nation die touristisch überfüllten Samstage nicht mehr an. Die Bar war geschlossen. Charles Schuhmann ist für mich ein Fixpunkt in München. Er offeriert wochentags ein sehr günstiges Mittagsmenü und seine Barmannschaft mixt hervorragende Cocktails. Manchmal kocht und serviert er auch selbst. Als Alternative wählten wir einen Italiener am Odeonsplatz. Dieser erwies sich als Glücksfall denn sowohl der Schmäh des Besitzers als auch sein Aperol waren gut.

Aber was hat das alles mit obigem Rechenbeispiel zu tun?

Nach all der schönen Bummelei, mit ausreichend „Leute beobachten und ausrichten“, gings zur Kasse der Operngarage.

„28 Euro“, flötet die junge Dame in fremdländischen Akzent. Ok, wir sind vorbereitet. Ich stecke einen Fünfziger durch die Ausnehmung in der Scheibe und warte. Nach längerem Überlegen gibt sie mir 42 Euro heraus.

Ich sehe sie an, lasse das Geld liegen und schweige abwartend.

Sie sieht mich an, schweigt und wartet.

Ich: „Das kann nicht stimmen.“

Kassiererin: Schweigen. Große Augen sehen mich ratlos an.

Ich: „Ich habe ihnen 50 Euro gegeben.“ (Gleichzeitig halte ich ihr das Rückgeld hin)

Kassiererin: Schweigen. Große Augen sehen mich ratlos an.

Ich: „50 weniger 28 ist 22.“

Kassiererin: Schweigen. Große Au …

Mutter und Tochter werfen sich vielsagende Blicke zu.

Ich: „Ich habe ihnen fünfzig Euro gegeben und sie haben mir 42 Euro, anstatt 22 zurückgegeben, das sind 20 zu viel.“

Ich gebe der Kassiererin 20 Euro zurück.

Kassiererin: Schweigen. Große Au …

Sie gibt mir schweigend zwei Euro.

Mutter und Tochter werfen sich vielsagende Blicke zu.

Die zwei Euro behalte ich.

Schmerzensgeld.


* Titelbild: Schaufenster in München

Schönen Sonntag 🍻☀️



8 Comments on “Schmerzensgeld

  1. Was für ein schöner Tag! Beim Spöckmeier waren wir nach jedem Kirchenbesuch der hohen Feiertage. Belohnung für das ganze auf Holzbänken-Knien und im überfüllten Bürgersaal stehen. 😄
    Die Parkgarage merk ich mir! „Unsere Preise sind gesalzen, aber unser Personal kann nicht rechnen.“ 😄

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